15.10.08

(Finanzen & Umwelt) Grundprobleme bleiben

Die Situation präsentiert sich noch immer ebenso dramatisch wie dynamisch. Kaum ist der Oelpreispeak (vorübergehend) abgewendet, hält die Finanzkrise die Welt in Atem. Und im Nacken haben wir stets die Klimaerwärmung, die sich mit ihren vielen einzelnen Katastrophen (noch nie gab es mit über 800 derart viele wie im letzten Jahr) nadelstichartig immer wieder in Erinnerung ruft.

Nun haben nach den USA auch viele andere Staaten ein Rettungspaket geschnürt und verabschiedet, viele Fragen bleiben offen – insbesondere ob die Mittel genügen, den Kreditfluss wieder in Gang zu bringen. Trotzdem: Die Paket enthalten zusätzliche Bestimmungen, die zu Optimismus Anlass geben. Endlich ist der Einlegerschutz vielerorts auf ein vernünftiges Niveau angehoben worden – eine Massnahme, die zur Vertrauensbildung dem Schweizer Finanzplatz sehr wohl anstünde.

Vor allem in den USA enthält das revidierte Rettungspaket wenig beachtete Bestimmungen über die Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere der Sonnenenergie. Wenn also etwa der Sonnenstaat Kalifornien derzeit finanziell am Abgrund steht (Notfallanleihen sollen Schwarzeneggers Pleitekassen über Wasser halten), könnte die fünftgrösste Volkswirtschaft der Welt gleichzeitig am Beginn eines glänzenden solaren Zeitalters stehen.

Womit bezüglich des ersten der drei Problemkomplexe des Weltsystems ein praktikabler Lösungsweg aufgezeigt ist: die radikale Förderung erneuerbarer Energien als erstes Gebot der Stunde. Für die Schweiz heisst dies: sofortige Revision des eben beschlossenen Energiegesetzes mit Abschaffung der Deckelung bei der Unterstützung eben dieser Energieformen. Es ist ein Aberwitz der Energiegeschichte, wenn um die 5000 Unterstützungsgesuche um kostendeckende Vergütungen beim Bundesamt für Energie anhängig sind und nur deren 2000 berücksichtigt werden können. Als bräuchte es noch eines Beweises, wie gross das Vertrauen in diese Energieformen ist und wie einschränkend die gegenwärtigen Marktbedingungen und Preise gleichzeitig sind.

Bei den Finanzen, dem zweiten aktuellen Problemkomplex, ist es nicht ganz so einfach. Denn die unweigerlich nötige Neuregulierung will gut bedacht sein. Vorschläge der Verstaatlichung oder eines Trennbankensystems, wie sie die Linke in peto hat, sind bei aller Attraktivität doch genau abzuschätzen, erwiesen sich doch einige dieser Finanzmarktregelungen auch schon als Krisenursache. Nicht zuletzt haben staatliche Finanzinstitute zur gegenwärtigen Krise ihren Beitrag geleistet – waren etwa in Deutschland vor allem Staatsinstitute in die Problemfelder eingebettet. Wenn auch die Exzesse im privat dominierten Finanzmarkt USA ganz klar als eigentliche Krisenverursacher gelten müssen und die staatlich beeinflussten Finanzhäuser als Mitläufer zu profitieren suchten. Besser hielten sich vielleicht genossenschaftliche Ansätze – in Form der Raiffeisenbanken hierzulande immer noch (und erfolgreich) präsent. Während die von einer Genossenschaft in eine AG umgewandelte Swiss Life (ehemals Rentenanstalt) schon in der letzten Krise hart am Untergang vorbei schrammte.

Dass das Finanzsystem eine ursprüngliche Aufgabe hat, auf die es sich wieder besinnen muss, zeigte vergangene Woche die Mikrofinanzkonferenz in Genf. Die Kreditvergabe an eine produktive Güter- und Dienstleistungsgesellschaft steht am Anfang allen Wohlstands. Bezeichnenderweise greift die Bewegung an ihrem Ursprung im fernen Bangla Desh unterdessen in jene Bereiche aus, die wir hier als zentral für das künfitge Schicksal der Globalisierung und der Menschheit insgesamt orten. So ist das Grameeninstitut unterdessen tätig im Bereich der Finanzierung von lokalen Solaranlagen wie auch bei der Sicherstellung der Ernährung der Bedürftigsten (Youghurt-Produktion für die Landbevölkerung zusammen mit dem französischen Nahrungsmittel-Multi Danone).

Zurück zur Schweizer Volkswirtschaft: Jeder sechste Arbeitsplatz ist direkt oder mittelbar mit dem Finanzplatz verbunden (wie der Autor übrigens auch, der eben ein bedeutendes Mandat in diesem Bereich verloren hat). Also ist der Glaube irrig wenn nicht gemeingefährlich, wir kämen noch einmal davon. Der sang- und klanglose Abgang des Chefs der hiesigen Derivatebörse mag ein Zeichen an der Wand sein oder andere Gründe haben, symptomatisch ist er auf jeden Fall. Die schweizerische Fondswirtschaft begibt sich im übrigen auf gefährliches Gelände, seit sie ihr Heil in der in letzter Zeit beobachtbaren Anbiederung an die Hedge-Fonds-Industrie sucht.

Schliesslich zum Klima: Bisher gänzlich untergegangen ist, dass die zu Recht als CO2-Verursacherin grossen Stils gegeisselte Landwirtschaft nicht radikal den Weg zu einer biologischen Ausrichtung geht, der den Ausstoss von Treibhausgasen um bis zu 60% aus diesem Bereich vermindern könnte. Widerlegt sind in diesem Zusammenhang unterdessen die Vorurteile, biologische Landwirtschaft ohne Kunstdüngereinsatz sei zuwenig ergiebig. Gerade in den Tropen erzielt sie im Gegenteil hervorragende Ergebnisse.

Im Bereich der Erneuerbaren Energien liegen realisierbare Vorschläge auf dem Tisch. Es ist absurd, dass ausgereifte Technologien und Lösungsansätze noch immer als unrealistisch abzustempeln, während gleichzeitig Grosskraftwerke mit einer Realisierungszeit von einigen (Gas) bis mindestens zehn Jahren (Atom) als Ausweg aus der Energiekrise gelten. Zusammen mit Effizienzgewinnen aus einer radikalen Förderung der Erneuerbaren könnte eine radikale Umkehr eingeleitet werden. Schritte, die allesamt hierzulande realisierbar und finanzierbar wären – besänne sich der Finanzsektor auf seine ursprüngliche Aufgabe, der Wirtschaft ganz schlicht und einfach Kredit zu gewähren und auch bei risikoreicheren Vorhaben nicht zu kneifen.

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