30.4.09

Die Schweiz ist erneuerbar

Die visionäre Aussage mag für viele gesellschaftliche Bereiche hierzulande gelten – und dabei reine Vision bleiben. Für den Energiesektor allerdings scheint eine Realisierung greifbar nahe, denn die notwendigen Techniken sind bekannt. Auf diesen simplen und dennoch einleuchtenden Nenner brachte der deutsche Journalist Franz Alt seine Einsichten zu den Energieproblemen der Welt an einem Vortrag, organisiert durch die Zeitschrift «Aufbruch». Ausgangspunkt der vielseitigen publizistischen Arbeit Alts über die sechs Erneuerbaren Energien Sonne, Wind, Wasser, Biomasse, Gezeitenkraft und Geothermie bildete die Katastrophe von Tschernobyl. Der damalige Lenker der Sowjetunion Michael Gorbatschow hatte Alt einst im Vertrauen die Kosten genannt, die der grösste Reaktorunfall aller Zeiten verursachte: 500 Milliarden Dollar. Und was Gorbatschow offenbar nicht erwähnte: Tschernobyl stand wohl auch dem Zerfall der Sowjetunion Pate.

Seither weiss Alt, was sich derzeit auf breiter Basis durchzusetzen beginnt. Die Sonne steht als unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung, während die fossilen Brennstoffe inklusive Uran ihren Zenit überschritten haben und sich dem Ende zuneigen. Das lässt sich nur schon an den Kosten ablesen, wovon unterdessen auch Wirtschaftskreise Kenntnis genommen haben wie etwa die Verantwortlichen grosser Energiekonzerne. Innerhalb eines Jahrzehnts stiegen die Erzeugerkosten für die alten fossilen Energien um bis das Dreifache, während sich die Kosten der Erneuerbaren halbierten. So hat unterdessen beispielsweise die Windkraft bereits die Schwelle zur Rentabilität erreicht – und für direkt solar erzeugte Energie dürfte das in besonders günstigen Gebieten wie Spanien innert weniger Jahre auch der Fall sein.

Doch selbst in Mitteleuropa stehen die Chancen entgegen einem immer noch weit verbreiteten Irrglauben gut. So ist Deutschland dank dem Gesetz über Erneuerbare Energien zu einem Mekka für die photovoltaische Forschung und Produktion geworden, also für die direkte Gewinnung von Elektrizität mit Solarmodulen. Und was in Deutschland möglich ist, gilt für die Schweiz ebenso. Kommt dazu, dass bezüglich der Nutzung von Wasserkraft sowohl in der direkten Energieerzeugung wie auch als Energiespeicher in den Pumpkraftwerken hierzulande optimale Voraussetzungen gegeben sind. Wäre da nur nicht die Deckelung der Kostendeckenden Einspeisevergütung, die viele projektierte Vorhaben für die Solarenergiegewinnung auf die lange Bank geschoben hat. Unverständlich für Franz Alt, der darauf verweisen kann, dass das deutsche Modell einer unbegrenzten Förderung neuer Energien inzwischen weltweit in mehr als 45 Ländern Schule gemacht hat, darunter auch in China.

Untermauert hat Franz Alt seine umfassenden Thesen im kürzlich erschienenen Buch «Sonnige Aussichten – Wie Klimaschutz zum Gewinn für alle wird», das durch seine Gesamtschau besticht. Wer also einen der leider immer noch seltenen Auftritte Alts in der Schweiz verpasste, ist mit dem Buch bestens gerüstet für den Einstieg in die solare Weltwirtschaft. Getreu nach dem Motto von Alt, «Bürger zur Sonne, zur Freiheit» – und getreu nach der Einsicht, dass auch die Schweiz den Umstieg auf Erneuerbare Energien bald und umfassend schaffen kann.

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16.4.09

(Umwelt) Nochmals fast ein Oskar für die Schweiz!

Der Energy Globe World Award ist noch nicht so berühmt wie die Oskars in der Filmindustrie oder der Pritzker-Preis für ArchitektInnen, den unlängst der Schweizer Paul Zumthor gewann. Aber anders als bei seiner Einführung vor zehn Jahren ist der Preis für Projekte, die im Sinne von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz Beispiel gebend sind, unterdessen viel beachtet - wurde er doch soeben vor versammelter europäischer Politprominenz in Prag vergeben. Unter den Nominierten fand sich auch ein Projekt aus der Schweiz.

Das weltweit erste vollständig solar mit Wärme (und übrigens auch mit Strom) versorgte Mehrfamilienhaus der Jenni Energietechnik AG gehörte in der Kategorie Erde dazu - und teilt die Ehre unter anderem mit einem Solarkrankenhaus in Myanmar (dem Hauptpreisträger) sowie solar betriebenen Wasserpumpen für die Landbevölkerung in Nicaragua oder dem bereits legendären Skysails Windantriebssystem für die moderne Schifffahrt aus Deutschland.

Die Website zum Energy Globe World Award hält zum Jenni-Haus (siehe auch Bild) des Energiepioniers fest: «Die acht Wohnungen im europaweit ersten vollständig solar beheizten Mehrfamilienhaus in Oberburg (BE) waren schnell vergeben. Kein Wunder, denn Heizen ohne Öl ist so attraktiv wie noch nie. Vor allem im Schweizer Sonnenhaus: Die Mieten liegen im ortsüblichen Durchschnitt, allerdings fallen keine Heizkosten an, da auf eine Zusatzheizung verzichtet wurde. Eine ausgezeichnete Wärmedämmung und passive Sonnennutzung über die Fenster sorgen zusammen mit 276m2 Sonnenkollektoren und einem 205'000-Liter-Speicher ganzjährig für warmes Wasser und angenehme Raumtemperaturen. Dank dieses großen Speichers, der aufrecht in der Mitte des Gebäudes steht, ist auch für kühlere Jahre vorgesorgt. Um die optimale Sonnenausbeute zu erreichen, ist das Gebäude nach der Sonne orientiert.»

Die weiteren prämierten Projekte in den Bereichen Erde, Feuer, Wasser, Luft und Jugend sind ausführlich auf der Website des Energy Globe World Award beschrieben. Sie alle zeigen die vielseitige und schnelle Entwicklung der erneuerbaren Energien, die bei genügend politischen Willen die Welt einer vollständig nachhaltigen Energieversorgung sehr schnell nahe bringen kann. Über 800 Projekte aus 111 Ländern waren dieses Jahr im Rennen, vergeben wurden die Preise Mitte April in Prag als Eröffnungsveranstaltung für das informelle EU Umweltministertreffen im Rahmen der Tschechischen EU Ratspräsidentschaft.

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2.4.09

(Finanzen) „Nur die Banken zu retten reicht nicht“

Für sein System der Mikrokredite für Arme erhielt Mohammed Yunus vor drei Jahren den Friedensnobelpreis. Im Handelsblatt-Interview bekennt er sich zur Globalisierung, kritisiert die Zielrichtung des Weltfinanzgipfels und verrät, ob er auch in Deutschland eine Zukunft für Mikrokredite sieht.
Mohammed Yunus: "Die Krise ist eine einmalige Gelegenheit, Dinge zu verändern.

Handelsblatt: Herr Yunus, lebt es sich anders als Nobelpreisträger?

Yunus: Eindeutig (lacht). Eigentlich erzähle ich ja mit meiner Idee der Mikrokredite seit 30 Jahren immer dasselbe. Aber früher sagten die Leute, ich sei verrückt. Seit ich den Nobelpreis erhalten habe, gelten meine Äußerungen plötzlich als weise.

Ihre Grameen-Bank expandiert. Aber die Mikrofinanzwelt scheint nach einer Boomphase jetzt Probleme zu haben.

Einige neue Akteure, die Mikrokredite vergeben, haben Probleme. Wer etwa Geld in harten Währungen geliehen hat, um Mikrokredite in schwachen Währungen zu vergeben, steckt bei der Rückzahlung in Schwierigkeiten. Auch Investmentfonds sind in dem Sektor gescheitert - zu Recht übrigens.

Wieso?

Ich hatte private Investoren gewarnt, dass das Instrument der Mikrokredite kein Mittel ist, mit hohen Margen Geld nun auch noch aus den Armen zu pressen. Eigentlich sollte es in Entwicklungsländern wie Bangladesch ein Mittel gegen Kredithaie sein - um denen zu helfen, die von normalen Banken als nicht kreditwürdig eingestuft werden. Jetzt schwimmen unter dem Namen leider selbst Kredithaie umher, die Zinssätze von 100 Prozent und mehr fordern.

Welchen Zinssatz nimmt Ihre Grameen-Bank für Existenzgründer?

Normalerweise 20 Prozent, acht Prozent für Immobilien, fünf für Studentenkredite und null Prozent bei Bettlern - denn auch diesen geben wir Kredit.

Seit die staatliche Entwicklungshilfe die Mikrokredite entdeckt hat, gibt es aber auch die Kritik, dass zu niedrige Sätze lokale Banken kaputtmachen.

Das stimmt, das kritisiere ich auch. Wenn ausländische Organisationen staatlich subventionierte Kredite vergeben, können kleine kommerzielle Banken in den Entwicklungsländern nicht mithalten. Statt den Armen zu helfen, schaden künstlich verbilligte Kredite, weil sie einige Wege zum Kapital versperren. Das ist schlecht. Denn gerade in der weltweiten Finanzkrise und den wirtschaftlichen Turbulenzen werden die Mikrokredite noch wichtiger, weil sie helfen, ein eigenes Geschäft aufzubauen.

Also trifft die Finanzkrise Ihren Sektor?

Eigentlich erstaunlich wenig. Der Grund liegt darin, dass wir weitgehend abgekoppelt von den internationalen Märkten operieren. Die Mikrokredite in Bangladesch, die 25 Prozent aller weltweiten Kleinstkredite ausmachen, werden aus lokalen Rücklagen in Landeswährung verliehen. In Indien ist dies ähnlich. Oder nehmen Sie unser Projekt in New York City, wo wir mehr als 500 Frauen Kredite von durchschnittlich 1 200 Dollar gegeben haben, damit sie sich ein Geschäft aufbauen können. Dort haben wir eine Rückzahlungsrate von 99,6 Prozent - und das in einer Stadt, in der die großen Banken zusammenbrechen. Das ist die Botschaft der Krise: Die Banken stolpern über ihr eigenes Geschäft - aber diejenigen, die sie vorher als nicht kreditwürdig eingestuft haben, zahlen ihre Verbindlichkeiten.

Der Weltfinanzgipfel wird sich eher mit der Verschuldung beschäftigen. Ist das eine falsche Schwerpunktsetzung?

Das Thema Ausgrenzung sollte mit auf der Agenda stehen. Aber sicher gibt es das Problem der übermäßigen Verschuldung, weil Kredite zu leicht vergeben wurden. Das muss man abstellen. Wir müssen den Gier-Anteil im System reduzieren, der die Wirtschaft in ein Spielcasino verwandelt hat.

Leicht gesagt, aber wie macht man dies?

Der Staat muss eingreifen, wenn der Markt nicht mehr funktioniert. Die Marktteilnehmer, die sich übernommen haben, müssen die Verantwortung dafür tragen. Ein guter Schritt wäre die Vorschrift, dass künftig alle selbst Anteile an den Produkten übernehmen müssen, die sie vertreiben.

Was sollten die Industrieländer tun?

Mit das Wichtigste wäre der Abschluss der Doha-Welthandelsrunde.

Ist das kein Widerspruch? Erst argumentieren Sie, der Mikrokreditsektor profitiere von der Abschottung der internationalen Finanzmärkte. Nun plädieren Sie für die Integration des Welthandels.

Nein, das ist kein Widerspruch. Es ist doch längst bewiesen, dass die Globalisierung armen Ländern hilft. Sonst wäre Bangladesch heute nicht anders als vor 50 Jahren. Sonst hätte es die Entwicklung in China nicht gegeben. Ich bin überhaupt nicht gegen die Globalisierung, nur muss jeder ihre Vorteile genießen können. Der Abschluss der Doha-Runde würde verhindern, dass sich einige 99 Prozent der Vorteile sichern. Es muss Kompromisse geben.

Quelle: Ausschnitte aus einem Interview des «Handelsblatt» vom 22.3.09