12.6.08

(Finanzen / Umwelt) Solarindustrie wird für die Wirtschaft interessant

Wieso spielt sich der weltgrösste Autozulieferer Bosch plötzlich als Sonnenkönig auf? Knapp 1,1 Milliarden Euro will er insgesamt für Ersol, die Nummer 3 der deutschen Solarbranche, aufwerfen, wie Anfang Monat bekannt wurde. Mit dem Stuttgarter Konzern steigt erstmals ein deutscher Industrieriese in die Solartechnik ein. Überraschend kommt das Interesse an der Solarindustrie nicht: Mit Solarzellen kann man etwa auch in Zeiten knapper werdender Rohstoffe Batterien für Elektromotoren aufladen. Die Preise für Öl und Gas explodieren - alternative Energien gewinnen an Attraktivität. Je teurer die fossilen Brennstoffe, desto eher kann Solarstrom mit dem herkömmlichen Haushaltsstrompreis konkurrieren. «Bereits 2015 könnte es in Europa so weit sein», schätzt Erol Bilecen von der Basler Bank Sarasin.

Kein Wunder, setzen da auch die Solarunternehmen auf Wachstum und finanzstarke Investoren. Mit der deutsch-chinesischen Sinosol sowie der hessischen SMA Solar Technology wollen gleich zwei Solartechnikfirmen demnächst den Schritt aufs Frankfurter Börsenparkett wagen. Noch braucht die Branche jedoch den Schutz des Staates - und so erleben selbst die Sonnenkinder zwischendurch trübe Tage. In Deutschland zitterte die Solar -Lobby in den letzten Wochen vor drastischen Einschnitten bei der Förderung des Ökostroms; die Solaraktien von Q-Cells bis Solarworld mussten zeitweise herbe Kurseinbussen verkraften. Nachdem sich die Regierungsparteien trotz heftigem Widerstand des CDU-Wirtschaftsflügels auf kaum reduzierte Subventionen verständigt haben, scheint wieder die Sonne. Die mittlerweile fast 60 000 Beschäftigten in der deutschen Solarindustrie - viele von ihnen in den strukturschwachen neuen Bundesländern - atmen auf. Die Wachstumsstory der Branche, die ihren Umsatz laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln innert fünf Jahren um mehr als das 20fache auf 5,74 Milliarden Euro gesteigert hat, geht weiter.

Um durchschnittlich 25 Prozent soll die Fotovoltaik, die Sonnenenergie direkt in Strom umwandelt, bis 2010 in Deutschland zulegen. Dank der satten Fördergelder gilt das Land noch immer als weltweit bedeutendster Markt für Solarenergie, obwohl selbst da die Sonnenkraft nur mickrige 0,5 Prozent zur gesamten Stromerzeugung beiträgt. Langfristig bessere Perspektiven bietet der sonnige Süden, wo sich die frisch installierte Fotovoltaikleistung jährlich mehr oder weniger verdoppelt. Schub geben der Solarindustrie von Spanien über Italien bis Griechenland auch die ambitiösen Pläne der EU zum Klimaschutz. So soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2020 auf 20 Prozent ansteigen.

Hohe Wachstumschancen bieten auch Asien oder die USA. Die US-Solarbranche setzt dabei auf einen umweltfreundlicheren Präsidenten und Nachfolger von George W. Bush. Ob John McCain oder Barack Obama - beide dürften zu einer stärkeren Förderung von Ökoenergien neigen. Die deutschen Solarfirmen stehen in den Startlöchern. Bereits heute erzielen Vertreter wie Q-Cells oder Solarworld mehr Umsatz im Ausland als im Inland. Auch kleinere Anbieter ziehen mit. Letztere könnten laut Sarasin-Experte Bilecen nun aber vermehrt zu Übernahmekandidaten werden: «Die Konsolidierung wird sich fortsetzen.» Hübsche Prämien dürften dabei nicht nur Industrieriesen wie Bosch zu zahlen bereit sein; wenn nicht für Synergieeffekte, dann wegen der guten Wachstumsaussichten.

Quelle: TA 12.6.08