26.4.08

(Umwelt) Bio ist eben doch gesünder

Immer wieder hatte die Zeitschrift Weltwoche gegen die Biolandwirtschaft gestänkert. Nun kommt das aus dieser Ecke überraschende Eingeständnis – viele Studien weisen auf den besonderen Gehalt der Bioprodukte. Nachstehend einige Auszüge aus dem Artikel der neuesten Weltwoche-Ausgabe mit folgendem Fazit: Bio ist eben doch gesünder. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der EU, die demnächst veröffentlicht wird. Gemüse und Obst, die ohne chemische Mittel angebaut wurden, enthalten mehr Stoffe, die vor Krebs schützen. Und Kinder, die Biomilch trinken, haben weniger Ekzeme.

„Nun steht fest: Biologische Nahrungsmittel sind tatsächlich gesünder als konventionelle. Zu dem Schluss kommt die grösste Studie zum Thema, ein mehrjähriges, von der EU mit 18 Millionen Euro unterstütztes Projekt, an dem sich über dreissig Forschungsinstitutionen in Europa beteiligen. Biologi-sches Obst und Gemüse weist bis zu vierzig Prozent mehr Antioxidantien auf. Antioxidantien schützen die Zellen vor Oxidation, also vor Schädigungen und gelten als wichtig bei der Prävention von Krebs und Herzinfarkt. Es enthält auch mehr wichtige Mineralien, etwa Eisen und Zink. Wissenschaftler der englischen Universität Newcastle betrieben für die Untersuchung einen zweigeteilten Bauernhof: auf der einen Seite biologisch, auf der anderen Seite konventionell. Sie bauten Kartoffeln, Gemüse und Getreide an, hatten Obstkulturen und hielten Milchkühe. Ähnliche Studienfarmen wurden auch anderswo in Europa errichtet, etwa in Schweden, Dänemark und Italien.

Ganz genau wurde die Milch unter die Lupe genommen. Hier zeigte sich: Biomilch weist höhere Werte auf bei den gesunden, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und bei konjugierter Linolsäure (CLA), der ein krebshemmendes Potenzial zugeschrieben wird. Ebenso enthält sie mehr Provitamin A und Vitamin E, zwei ebenfalls wichtige Antioxidantien. Je nach Stoff lagen die Werte zwischen dreissig und neunzig Prozent höher als bei der konventionellen Milch. Weshalb ist das so? Ausschlaggebend ist offenbar die Fütterung und die Haltung der Tiere. Fressen die Kühe viel Raufutter (also Gras und Heu) und sind sie regelmässig auf der Weide (wie dies bei Biobetrieben vorgeschrieben ist), ist die Milch besser als jene von Tieren, die häufig im Stall sind und viel Kraftfutter fressen. Die Detailresultate aus dem EU-Projekt werden in den nächsten Monaten in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert.

In der Schweiz sind die Unterschiede zwischen Bio- und anderer Milch vermutlich nicht ganz so gross. Denn hierzulande ernähren auch konventionelle Bauern ihre Kühe «raufutterbetont», wie das im Jargon heisst. Also mit viel Gras und Heu, ausserdem ist Weideauslauf üblich. Das erklärt wohl, weshalb vor rund drei Jahren eine Studie der Universität Bern zum Schluss kam, Biomilch sei nicht besser. Doch Urs Niggli, Leiter des Forschungsinstituts für biologischen Landbau sagt: «Die allgemeine Entwicklung in der Europäischen Union und weltweit geht in Richtung mehr Kraftfutter und weg von der Weidehaltung. Das droht auch in der Schweiz, vor allem im Zeichen des Abbaus von Handelshemmnissen.» Kraftfutter würde so billiger und also für den Bauern interessanter.

Weitere Beispiele entstammen einer Zehnjahresstudie aus den USA (University of California), wonach etwa Biotomaten bei bestimmten gesundheitsfördernden Antioxidantien wie Flavonoiden fast doppelt so hohe Werte aufwiesen. Die untersuchenden Lebensmittelchemiker erklären dies mit dem Weglassen von chemischem Dünger. Dieser enthält Nitrogen, was die Flavonoid-Entwicklung hemmt. Flavonoide sind chemische Stoffe, die den Pflanzen ihre Farbe geben. Beim Menschen wirken sie gefässstärkend und entzündungshemmend. Sie sind wirksam gegen hohen Blutdruck und reduzieren so das Risiko eines Herzinfarktes.

In den Niederlanden wiesen kürzlich Forscher der Universität von Maastricht nach, dass bei Kleinkindern, die mit biologischen Milchprodukten ernährt wurden und deren Mütter sich auch so ernährten, das Risiko für Ekzeme um 36 Prozent abnahm. Früher schon hatte sich gezeigt, dass die Muttermilch von stillenden Frauen, die sich mehrheitlich biologisch ernährten, einen um 50 Prozent höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren aufwies.

Doch nicht nur Milchtrinker, auch Weinliebhaber steigen möglicherweise besser auf Bio um. Weine aus biologischem Anbau enthielten gemäss einer Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau in Frick und der Université de Bourgogne in Dijon höhere Mengen an Resveratrol ein Polyphenol, das vor allem in der Haut von Trauben vorkommt. (Polyphenole sind aromatische Verbindungen, sie zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Sie geben den Pflanzen Geschmack und Farbe und schützen sie vor Schädlingen.) Resveratrol schützt die Zellen vor Oxidation; es verringert zudem die Verklumpung der Blutplättchen und verhindert dadurch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Warum hat es in Biotomaten und -trauben mehr sekundäre Pflanzenstoffe? Im Biolandbau dürfen keine chemischen Mittel gegen Schädlinge und Pilze gesprüht werden. Die Pflanze muss sich aus eigener Kraft gegen Feinde wie Insekten, Milben, Fadenwürmer und dergleichen ungemütliche Zeitgenossen wehren. Bei den sekundären Pflanzenstoffen handelt es sich um Abwehrstoffe gegen Pilz-infektionen. Diese tun nun offenbar auch im menschlichen Organismus Gutes.

Was die Wissenschaft in kleinen Stücken langsam zu einem Gesamtbild zusammenfügt, scheint der Konsument zu ahnen. Bio ist besser. Jedenfalls werden in der Schweiz Jahr für Jahr mehr Biolebensmittel verkauft. 2007 stieg der Umsatz um rund acht Prozent auf 1,3 Milliarden Franken. Die gesamten Lebensmittelverkäufe nahmen in dieser Zeit bloss um drei Prozent zu. Es stiegen also erneut Kun-den auf biologisch erzeugte Produkte um. Vor allem die bis anhin skeptischen Welschen greifen nun immer häufiger zu, wenn «bio» draufsteht. Vielleicht auch, weil die Hemmschwelle gesunken ist. Wer ein Biojogurt oder Bioäpfel kaufen will, muss sich nicht mehr in enge Läden mit Holzgestellen begeben und warten, bis langsame, aber sympathische Verkäufer alles getippt haben. Bloss zehn Prozent der Verkäufe werden in Bioläden und Reformhäusern gemacht. Drei Viertel aller Bioprodukte verkaufen die beiden Grossverteiler Coop und Migros. Wobei Coop die mit Abstand führende Kraft im Schweizer Biomarkt ist mit einem Marktanteil von 51 Prozent.“

Textquelle: Auszüge aus Weltwoche-Artikel vom 24.4.08

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