9.12.08

(Finanzen) Endlich klaren Wein eingeschenkt

Lange verschlossen Banken und Vermögensverwalter die Augen vor der Realität. Oder wollten nicht sehen, was sich da in der Welt zusammen braute. Und so hiess es bis vor Kurzem: Rezession? Nicht bei uns! Unterdessen hat sich auch in Finanzkreisen Ernüchterung breit gemacht. KundInnen werden beim Besuch Ihrer Vermögensverwalter erstmals nicht bedrängt, in dieses oder jenes neue Finanzprodukt zu investieren. Abwarten sei vielmehr angesagt. Oder eine präzisere Analyse, wie sie die Westschweizer Privatbank Pictet dem geneigten Publikum unlängst zur Kenntnis brachte.

Dieses kam in Scharen in eines der edelsten Zürcher Hotels – standesgemässes Umfeld muss immer noch sein. Doch bei den präsentierten Fakten nehmen die Pictet-Banker kein Blatt vor den Mund. Zuerst betont die Geschäftsleitung, dass das eigene Institut sich nur wenigen Risiken ausgesetzt habe – auch dieses Mal wie stets in der bereits 200jährigen Geschichte von Pictet. Womit die eigene Glaub- und Kreditwürdigkeit trefflich belegt wäre – nehmen doch die Genfer gar keine Kredite auf, sondern legen die Gelder anderer Leute nur möglichst viel versprechend an. Im Juni noch wurde dabei zu viel versprochen, der Aktienmarkt galt auch für Pictet vor einem halben Jahr als überverkauft und entsprechend gute Einstiegsmöglichkeit.

Davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein, wie Pictet-Mann Alfred Roelli durchaus selbstkritisch anmerkte. Untermauert von all den Zeichen einer weiteren Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Situation. Denn das ist der Punkt beim aktuellen wirtschaftlichen Einbruch – er hat sich sehr schnell vom Finanzmarkt auf die Wirtschaft als Ganzes ausgeweitet. So ist das Kreditgeschäft selbst weiterhin praktisch tot, die Konsumenten gelten weltweit und insbesondere in den USA als massiv verunsichert. Und da kann, Ironie der Geschichte, nur beunruhigen, dass erstmals seit langem die US-Sparquote wieder ansteigt – kein gutes Zeichen für die Entwicklung der allgemeinen Nachfrage. Beunruhigen muss auch, dass nicht nur die Wohnungsmärkte in den USA, sondern auch in vielen europäischen Staaten in Bedrängnis sind und Preiseinbrüche in Frankreich, Spanien, Grossbritannien entweder schon Tatsache sind oder unmittelbar bevorstehen.

Das lässt als Fazit laut Roelli nur vermuten, dass die renditemässige Durststrecke weitergeht, dass die rezessiven Tendenzen mindestens bis Mitte 2009 anhalten und dass Gold in seiner physischen Form zumindest eine geeignete Beimischung bei der Wertanlage darstellt. Die günstige Bewertung an den Aktienmärkten allein kann auf jeden Fall nicht als Signal gelten, bereits wieder einzusteigen. Denn die ist vielleicht auch bald dahin, wenn die Gewinne der Unternehmen einbrechen.

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