22.6.06

(Medien) Das Internet könnte den Journalismus revolutionieren, könnte...

Die englische Rundfunkgesellschaft BBC tut’s in grossem Stil, der Zürcher Tages-Anzeiger versucht sich auf Sparflamme: Wie viele andere Medienhäuser sind beide ins Geschäft mit der elektronischen Interaktion eingestiegen, erhoffen sich mitunter Wunderdinge. Da die BBC, deren Spezialist am elektronischen Newsdesk Pete Clifton an einem Seminar des Medienausbildungszentrums in Luzern aufzeigte, wie vor allem bei Grossereignissen nicht mehr nur die eigenen Journalisten Newsfutter erzeugen. Bilder von der Bombenexplosion in London oder schriftliche Berichte von der Tsunami-Katastrophe in Thailand, geschossen und geschrieben von journalistischen Laien, prägten vor allem in der ersten hektischen und unübersichtlichen Zeit unmittelbar nach den Katastrophen die Berichte. Das soll nach Clifton auch in Zukunft so sein, unterstützt vom Fakt, dass viele ZuträgerInnen ihr Material eben nur der BBC zur Verfügung stellen wollten, immer aber gratis.

Eine wunderbare neue Medienwelt also, könnte man meinen. Unterstützt wurde dieser Eindruck durch Mario Sixtus, deutscher Blogger und Journalist in verschiedensten Medien. Beispiele auch seinerseits, welche Bereicherung die Medienwelt durch all die bloggenden ZeitgenossInnen erfährt: Sei es durch Aufdeckung eines Softwareskandals in der Musikindustrie (verursacht durch Sony) oder die Herkunft eines Slogans zur deutschen Identität («Du bist Deutschland» hatte es schon in der Nazizeit und nicht erst in der vorweltmeisterschaftlichen Euphorie geheissen). Die neuen elektronischen Medien verändern den gängigen Journalismus also ganz gehörig, sprich verbessern ihn in erster Linie. An diesem positiven Eindruck ritzte dann TA-Chefredaktor Peter Hartmeier, wenn auch nur leicht. Er sieht all die kommerziell-alltäglichen Drücke und klammert sich an die klassische Verdichtungsfunktion herkömmlicher Zeitungen. Zudem werde der Regionalsplittung seines Blattes ab Herbst mit einem Einbezug der elektronischen Interaktivität angereichert.

Ausgeklammert blieb die Frage: Warum gibt es nicht mehr News, die dank des Netzes die Öffentlichkeit erreichen und in so wichtigen Bereichen wie Alltagskonsum oder Arbeitswelt Aufmerksamkeit erzielen? Wann endlich schaffen es Verbände der Arbeitnehmerschaft oder auch der KonsumentInnen, ihre Anliegen dank Interaktivität mit allen Betroffenen wirksam in die Medienwelt einzuschleusen. Denn der Missstände gibt es in diesen Bereichen wohl genug, wie etwa überzogene Arbeitszeiten, unterbezahlte Jobs, verdorbene oder falsch deklarierte Lebensmittel und was der Alltag so alles an Widrigkeiten zu bieten hat. Hier könnten sich finanzschwache Institutionen dank des Internets und mit den Instrumentarien der Bloggerwelt doch eine ungeahnte Aufmerksamkeit verschaffen. Aber machen sie es auch?

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