Den Schweizer Medienpreis für die ausgezeichnete Recherche gibt es leider noch nicht. Verdient hätte ihn ein Bericht aus dem Beobachter von Anfang Oktober. Simon Thönen beschreibt die Reaktionen von 32 Gemeinden, denen bei Steuerrabatt der Zuzug eines ausländischen Millionärs in Aussicht gestellt wurde. 18 von 32 Gemeinden würden sich auf den Deal einlassen. Womit sie kein ungesetzliches Angebot machten. Denn eine Besteuerung nach Aufwand «bei Ausländern ohne jegliche Erwerbstätigkeit im Inland» gilt als rechtens. Berühmte Beispiele sind etwa der siebenfache Formel-1-Weltmeister Michael Schuhmacher oder die kanadische Countrysängerin Shania Twain. Beide sind mehrhundertfache Millionäre und zahlen hierzulande bei weitem nicht so viele Steuern, wie dies ein Schweizer Bürger müsste.
Den Vogel abgeschossen beim offerierten Steuerrabatt hat die Stadt Winterthur. SP-Stadtpräsident Ernst Wohlwend offerierte dem Steuerflüchtling eine jährliche Pauschalsteuer von 65'000 CHF, obwohl dieser ein Jahreseinkommen von neun Millionen und ein Vermögen von 150 Millionen zu besitzen vorgab. Auch Wohlwend fand das Angebot an den deutschen Anwalt, der die Recherche für den vermeintlichen Millionär durchzog, als ausserordentlich günstig. Und fragte sich bei der Konfrontation mit dem Beobachter, was das Ganze eigentlich bringe.
Abgesehen vom seltsamen Resultat, das eine fragwürdige Praxis des Schweizer Steuerrechts mit allen Konsequenzen ans Tageslicht bringt, ist die Beobachter-Recherche bemerkenswert. Hier hat sich eine Redaktion die Mühe genommen und offenbar keinen Aufwand gescheut, einen Sachverhalt zu hinterleuchten, der in der Öffentlichkeit nach wie vor zu wenig wahrgenommen wird. Das spiegelt sich wiederum in der Resonanz des Artikels. Er wurde bislang nirgends aufgenommen – und der Preis für die ausgezeichnete Recherche wird wohl auf sich warten lassen.
4.10.04
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